Die Hausarztpraxis der Sozialarbeit...

Ein Team des SkF bereitet die Aktionen zu den Armutswochen und den Internationalen Tag zur Beseitigung von Armut vor (von links): Ute Middendorp, Barbara Berardis, Gabriele Andresen, Stefanie Weßels, Reinhild Schniedergers (Foto: Erhard Kurlemann)

Am 17. Oktober ist Internationaler Tag zur Bekämpfung der Armut.  Diesmal haben der SkF-Zentrale, die Caritasverbände und weitere Organisationen die Allgemeine Sozialberatung (ASB) in den Mittelpunkt gestellt. Am 17.10.2025 informieren die Mitarbeiter*innen des SkF Ibbenbüren auf dem Ibbenbürener Wochenmarkt über die Angebote der ASB und stehen für GEspräche bereit. 

(von Erhard Kurlemann)
Ibbenbüren/Tecklenburger Land.  Armut dürfte es in Deutschland gar nicht geben. „Es ist ausreichend Geld vorhanden – nur nicht an den richtigen Stellen“, sagt Ute Middendorp, Fachbereichsleiterin Existenzsichernde Hilfen beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Ibbenbüren.  „Deshalb ist es wichtig, auf den 17. Oktober als Internationalen Tag zur Bekämpfung der Armut aufmerksam zu machen“.  Diesmal haben der SkF-Zentrale, die Caritasverbände und weitere Organisationen die Allgemeine Sozialberatung (ASB) in den Mittelpunkt gestellt. „Dieses Angebot ist ein bedeutsames Glied in der Wirkungskette zur Prävention und Bekämpfung von Armut“, betont Stefanie Weßels. Das Problem: Die ASB ist nicht in den Sozialgesetzbüchern verankert. „Das bedeutet, dieser Dienst wird nahezu ausschließlich aus Mitteln des Bistums finanziert.“

Im Ergebnis eine schwierige Situation: Die Kirchensteuer-Einnahmen sinken – die Nachfrage nach dem Angebot steigt.  „Dabei ist anerkannt, dass die allgemeine Sozialberatung ein wirksames Mittel gegen Armut und soziale Notlagen ist“, ergänzt Reinhild Schniedergers.  Würde der offene Grunddienst für alle Menschen in Notlagen Bestandteil der Sozialgesetzbücher sein, gäbe es eine Pflicht für eine staatliche Refinanzierung.  Deshalb steht der Tag der Armut unter dem Thema „Türen offen halten: Allgemeine Sozialberatung sichern“.

Die ASB sei „die Hausarztpraxis der Sozialarbeit“. sagt Ute Middendorp. „Wir hören zu. Wegschicken gibt es nicht“.  Dabei werde festgestellt, welche Sozial- und Hilfssysteme in unserem Staat greifen müssten, damit den Menschen geholfen werden könne.  „Viele kommen zu uns, weil sie vorher von Pontius nach Pilatus geschickt wurden, ohne sich des tatsächlichen Problems anzunehmen“, erzählt Stefanie Weßels aus der Praxis. „Es ist für viele Menschen nicht einfach, den Zugang zu unserem Hilfesystem zu finden.“ Dabei gebe es eine große Bandbreite an Unterstützungsmöglichkeiten. „Wir verstehen unsere Arbeit als Anker für die soziale Daseinsvorsorge“, beschreiben die Sozialarbeiterinnen die Philosophie des SkF. Das Angebot sei „sehr niederschwellig“ und richte sich an alle Menschen und Familien aus dem Tecklenburger Land“ – von Hörstel bis Lienen.

Die tägliche Arbeit in der allgemeinen Sozialberatung erweise sich als Türöffner zu Hilfe und Beratung, um „Ratsuchenden das staatliche Sozial- und Hilfesystem passgenau zu erschließen“, ergänzt Gabriele Andresen.  Darüber hinaus sei zudem „Kreativität gefragt, wenn das Sozialsystem nicht greift“, gibt Stefanie Weßels einen Einblick. Stiftungen etwa übernähmen im Regelfall Kosten für Besuche von Angehörigen, die etwa in einer Reha-  oder Kur seien, wenn diese sich das finanziell nicht leisten könnten. Oder für Zahnersatz. „Wir führen viele Gespräche, um Unterstützung möglich zu machen.“

Ein weiteres Problem: „Oft kommen die Menschen viel zu spät mit ihren Problemen zu uns.“  Dafür gebe es viele Gründe. „Menschen leben allein und sind vereinsamt, auch weil sie nicht am gesellschaftlichen Leben teilhaben können – aus finanziellen Gründen.“ Oder: „Familien oder Alleinerziehende investieren alles in die Kinder, damit nicht auffällt, dass sie nicht mithalten können“.  Der Markendruck sei in vielen Schulen schon „sehr groß“. Eine Endlos-Spirale: Irgendwann gehe dann gar nichts mehr.  Und: Wenig Geld in einer Familie wird nach außen schnell sichtbar. Das führe zu weiteren Problemen.

Auswirkungen der aktuellen Lebenswelt machen sich längst bemerkbar. Die Nachfragen nach Gütern im Haus 21 steige stetig, berichtet die Leiterin Barbara Berardis.  Natürlich könne jeder im Sozialkaufhaus einkaufen. Dass mehr Menschen kämen, habe sicher etwas mit den gestiegenen Lebenskosten zu tun.  Auch die Nachfrage nach Beratung und Hilfe im ASB wächst.  Familien, Alleinstehende, ältere Menschen, insbesondere Frauen – oft mit komplexen Notlagen. „Da hilft uns das interne und externe Netzwerk von Hilfsangeboten sehr“, sagt Reinhild Kleingers.

Da das Beratungsangebot insgesamt größer geworden ist, sei die Allgemeine Sozialberatung zunehmend existenziell gefährdet – wegen fehlender oder sinkender Finanzmittel.  Darauf wollen die Expertinnen des SkF mit einem Info-Stand am 17. Oktober auf dem Wochenmarkt aufmerksam machen.  „Wir als SkF sind zwar in Ibbenbüren die Institution, wo man mit Problemen hingeht“, hebt Ute Middendorp die gute Ausgangsbasis hervor. „Aber viele wissen nicht, wie wir arbeiten – und woher das Geld für unsere Arbeit kommt, da die Beratungsangebote kostenlos sind.“  

In den folgenden Armutswochen werde verstärkt in den sozialen Medien durch Posts und Statements auf das große Arbeitsfeld und seinen engen finanziellen Spielräumen hingewiesen. Zudem soll ein Handout für die Politik aufgelegt werden - mit Unterstützung durch die SkF-Zentrale in Dortmund. „Wir wollen auch die Parteien vor Ort ansprechen, und über unsere Arbeit informieren“.  Und: „Durch unsere erfolgreiche Arbeit sparen wir der Gesellschaft Folgekosten in erheblicher Höhe“. Da sei die Forderung legitim, die allgemeine Sozialberatung langfristig durch die Aufnahme in die Sozialgesetzbücher abzusichern. „Das stärkt die Gesellschaft.“